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Adam Mickiewicz war 14 Jahre alt, als das Heer Napoleons auf seinem Rußlandfeldzug
durch seine Heimat zog. Polen war zu diesem Zeitpunkt längst unter seinen
Nachbarn aufgeteilt, der polnische Landadel, zu dem auch das Haus Mickiewicz
zählte, verarmt.
Die
Ideale der Französischen Revolution, Aufklärung, eines geistigen Fortschritts
der Menschheit, einer bürgerlichen Verfassung und nicht zuletzt, der
Selbstbestimmung der Völker, die schon Mickiewicz’ Vater verfocht, erhielten
neue Nahrung und breiteten sich wie ein Flächenbrand in der polnischen
Jugendbewegung aus. Auch der ohnehin entmachtete Adel identifizierte sich in
weiten Teilen mit der Sache des Volkes, so daß auch Adam Mickiewicz Zugang zu
beiden Welten hatte. Die Werke der europäischen Klassik von Rousseau, Lord
Byron, Goethe und Voltaire waren ihm genauso geläufig wie die Märchen- und
Sagenwelt der einfachen Bauern.
An
der liberalen Universität in Vilnius studierte er Philosophie,
Literaturwissenschaften, antike Literatur und Rhetorik, sowie allgemeine
Geschichte. An den Hochschulen entstanden zu dieser Zeit diverse Geheimbünde,
Burschenschaften und Freimaurerlogen, die in der Jugend die Ideale der
Aufklärung vertraten. Mickiewicz selbst trat den Philomaten (Freunde des
Fortschritts) und Philareten (Freunde der Tugend) bei. Seine 1820
geschriebene „Ode an die Jugend“ wurde zur Hymne der Bewegung ,die zunächst
nur dem freien Denken verpflichtet war, aber schon den Keim für eine neue
patriotische Entwicklung in sich trug,
1822
erschien sein Gedichtband „Balladen und Romanzen“ mit in Polen bis dahin
unüblichen Gedichtformen in denen er die Synthese zwischen klassischem
Gedankengut und volkstümlichen Mythen vollzog: Der Beginn der romantischen
Literatur in Polen.
Wegen
zunehmend nationalistischer, d.h. antizaristischer Tendenzen gingen 1823
schließlich die russischen Behörden gegen die Philomaten und Philareten vor.
Auch Mickiewicz wurde verhaftet und nach Rußland verbannt.
Zurück
ließ er nicht nur seine geliebte Heimat, sondern auch seine Liebe zu Maryla
Wereszczaka, die er nicht mehr wiedersehen sollte ...
Aus dem Vorwort
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Morgen und Abend
Der Sonnenaufgang schimmert durch die
Wolkendecken,
und gegenüber sinkt der Mond, löscht
sein Gesicht.
Die Rose öffnet ihre Knospen, Schicht um
Schicht,
und taugebeugte Veilchen woll'n sich
lichtwärts strecken.
Das Bildnis Lauras will mich aus den
Träumen wecken.
Ich knie vorm Fenster, als sie ihre
Zöpfe flicht
und fragt: Warum, ach, leuchten eure
Augen nicht,
woll'n sich mein Liebster, Veilchen und
der Mond verstecken?
Zum Abend zeige ich ihr wieder meine
Treue,
Der Mond kehrt wieder und die Veilchen
blühn verborgen,
süß duftend, auch der Himmel rötet sich
aufs Neue.
Doch ich steh dort vom Fenster mit den
alten Sorgen,
seh' wie sie sich herausputzt, und sich
d’ran erfreue.
Nur ich knie ihr zu Füßen, traurig wie
am Morgen.
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V. Blick auf die Berge aus der Steppe von Koslow
Pilger
und Mirza
Pilger:
Sieh
dort! Hat Allah hier ein Eismeer aufgerichtet?
Ein
weißer Wolkenthron, den Engeln zugedacht?
Ist’s
ein Werk der Diven, Zeichen ihrer Macht,
die wider
freiem Sternenlauf die Wand geschichtet?
Als ob
Byzanz verbrennt, scheint glühend rot belichtet
der
Firn, bereitet Allah den Chylat zur Nacht.
Ist
dieser Brand als Richtungsfeuer angefacht,
den
hohen Sternen auf den rechten Weg gerichtet?
Mirza:
Dort
haust der Winter, ich war einmal aufgestiegen
und
sah die Bäche trinken aus des Felsens Schoß.
Ich
spie dort Schnee und sah wo meine Grenzen liegen.
Des
Adlers Wege enden dort und Wolken blos
sah
ich in denen sich wohl Blitz und Donner wiegen.
Darüber
nur die Sterne leuchten, grandios.
Das
ist der Tschatyr Dagh!
Pilger:
Ah!
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VI.
Baktschi Sarai
Öd
liegt das Schloß, wo ehedem die Khane prangen.
Kein
Pascha wandelt heute durch den langen Flur.
Aus
seidnem Sofathron flieht scheu die Kreatur;
Drin
nisten Ungeziefer und ein Knäuel von Schlangen.
Schon
Efeuranken durch die Fensternischen langen,;
durch
feuchte Mauern und Gewölbe führt die Spur
und
zeichnet, was ein jeden Menschenwerks Natur,
graviert
Belsazars Menetekel ein: „Vergangen“
Dort
in der Mitte rinnt noch aus den Marmorschalen
des
Harems letzter Glanz und muß erblassen,
Weil
Tränen eine Botschaft in die Wüste malen:
„Wo
ist nun Liebe, Macht und Ehre, stolzes Prassen?
Muß
man die Freude mit Vergänglichkeit bezahlen?
Warum
bin ich allein, der Tränenquell, belassen?“
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