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Hrg: Sibylle Ferner & Dirk Strauch

Monument des Augenblicks

Sonette englischer Romantiker und Viktorianer in neuen Nachdichtungen

 

Zweisprachig

170 Seiten

7,90 €

 

 

Chronologisch beginnt die vorliegende Sammlung dort, wo der erste Band abschließt: Bei Shelley und Keats. Es schien uns einerseits dem Wesen und Sinn einer Anthologie zuwider zu laufen, wenn wir einzelnen Autoren ein Übergewicht einräumen, andererseits wollten wir aber auch dem Rang der beiden Rechnung tragen, die nicht nur Kinder der Romantik waren, sondern auch das Schreiben nachfolgender Autoren geprägt haben. Ein angenehmer Nebeneffekt ist zudem, dass sich die beiden Anthologien nun nahtlos an- oder besser gesagt ineinander fügen.

     [...]
Die neuen Lebenswirklichkeiten, aber auch die Schulbildung immer breiterer Bevölkerungsschichten brachten auch neue Impulse für Kunst und Literatur. Vor allem Romane und Jugendbücher erlebten eine Blüte. Ein so dramatischer Umbruch der Gesellschaft blieb auch für die Sonettdichtung nicht folgenlos. Wo Rowland Eyes
Egerton Warburton halb staunend, halb wehmütig die Beschleunigung des Alltags durch die neuen Eisenbahnen registriert, Arthur Henry Hallam das Erblühen neuer Metropolen vom Range Babylons am Beispiel Edinburghs feiert, rücken auch soziale Fragen mehr in den Fokus. Haben sich frühere kritische Geister noch an der grausamen aber fernen Sklaverei abgearbeitet, so findet Matthew Arnold nun eine verarmte Arbeiterklasse in den Großstädten vor. Die Mehrzahl der Autoren steht allerdings noch in der Kontinuität romantischer Tradition.


Dort wo ein Stil zur Mode wird entsteht auch viel mittelmäßiges, gleitet echtes inneres Naturerleben ab in Beschaulichkeit, wie wir es in Deutschland auch im Biedermeier erlebten. Gegenbewegungen blieben nicht aus. Der Aufschwung der englischen Prosa ist auch als Gegenpol zu allzu rührseliger Massenlyrik zu verstehen. Ein Dilemma für Autoren, die ihre Themen weiterhin im Privaten und Mystischen suchten, aber die tauglichsten Bilder durch inflationären Gebrauch entwertet sahen. Dennoch waren die bedeutendsten Sonettdichter keiner Avantgarde zuzurechnen. Nicht Hartley Coleridge, der sich selbst in der Tradition seines Vaters und Wordsworth’s sah und nicht Elisabeth Barrett-Browning, hier mit unbekannteren Stücken vertreten, die mit ihren Portugiesischen Sonetten einen der populärsten Zyklen englischer Liebesdichtung vorgelegt hat. Selbst der Prä-Raphaelit Dante Gabriel Rossetti, als Maler mit allen Konventionen seiner Zeit hadernd, oft als exzentrisch beschrieben, stellt sich als Dichter in die romantische Tradition. Vermutlich hätte er das selber nicht so formuliert, wenn man aber z. B. sein „Match with the Moon“ mit früherer Dichtung vergleicht wie Georges Darleys „The Moon and the Sea“, beide in diesem Bändchen enthalten so atmet aus ihnen unverkennbar ein verwandter Geist.


Mit Dante Gabriels und seiner Schwester Christina Georgina Rossettis Dichtung schließt denn auch dieser
Band. Alle 70 vorgestellten Sonette sind neu- etliche erstmalig in deutsche Verse übertragen.


Auch in dieser Anthologie waren die vier beteiligten Übersetzer bemüht, der Form der Originaltexte ebenso Rechnung zu tragen wie dem Inhalt. Dass die Übertragungen im Deutschen erneut in Sonettform erscheinen, war demzufolge wiederum die Grundbedingung. Auch bei Zeilenlänge und Versmaß waren waren nur geringe Abweichungen zulässig. Dennoch ließ es sich nicht vermeiden, dem Inhalt zuliebe mitunter auch bei der Form Kompromisse zu machen. Das umschlingende Vierer-Reimschema, abba – abba, ließ sich beispielsweise nur in relativ seltenen Fällen erhalten.


Es wird auch in diesem Band kein Anspruch auf eine „repräsentative Auswahl der besten Sonette ihrer Zeit“ erhoben. Die Auswahl wurde zumindest teilweise durchaus von den persönlichen Neigungen der jeweiligen Übersetzer bestimmt, die in ihrer Mitarbeit völlig freie Hand hatten und sich mit Eifer und Liebe zum Text in die Aufgabe stürzten.

Wir wünschen den Lesern viele genussreiche und besinnliche Stunden mit unserer zweisprachigen Auswahl an viktorianischen Sonetten.


Sibylle Ferner und Dirk Strauch

 

 

Thomas Doubleday

1790-1870

Poppies, that scattered o’er this arid plain’
Display the barrenness ye cannot cure,
Though little may your sickly flowers allure,
Their juice deserves because it aids the strain,

For not alone it lulls our harshest pain,
While, in the dangerous or the indulgent hour,
The Turk still seeks it, but its wondrous power
Can bring to bear the poet’s barren brain;

And in blessed service, like a knight of old,
It conquers but the monsters of the mind;
Oh! poppy-flowers, as rude weeds round ye press,

E’en you look beauteous, ’mong their colors cold:
So, mid the prickly cares of life, we find
The sweetest hours - those of forgetfulness.


 

 

Ü: ZaunköniG

 

 

Auf diesem kargen Feld steht schütter Mohn,
in dem unheilbar eine Öde hockt.
Ist sie auch spärlich, deine Blüte lockt;
allein dein Saft dient der Entspannung schon.

Dein Schlaf kann unsren stärksten Schmerz bezwingen,

in fährnisvoller und in stiller Stunde.
Der Türke sucht es, aber dieses Wunder
kann Frucht auch dürren Dichterhirnen bringen.

Dein ritterlicher Dienst aus alter Zeit
kann überwältigen des Geists Chimären.
Du mußt dich unter grobem Kraut bewähren

und kannst doch Farbe diesem Karstland geben.
So finden wir in Dornen unsres Lebens
die süßen Stunden - der Vergessenheit

 

 

George Darley 1795 - 1846
The Moon and the Sea


Whilst the moon decks herself in Neptune’s glass
And ponders over her image in the sea,
Her cloudy locks smoothing from off her face
That she may all as bright as beauty be;

It is my wont to sit upon the shore
And mark with what an even grace she glides
Her two concurrent paths of azure o’er,
One in the heavens, the other in the tides:

Now with a transient veil her face she hides
And ocean blackens with a human frown;
Now her fine screen of vapour she divides
And looks with all her light of beauty down;

Her splendid smile over-silvering the main
Spreads her the glass she looks into again.

 

 

 

 

 

Ü: sneaky

 

 

Wenn Luna sich in Neptuns Spiegel schmückt,
ihr Bild darin in Ruhe überdenkt,
die Wolkenlocken aus der Stirne streicht
dass voller Glanz ihr volle Schönheit schenkt,

bin ich am Strand, zu dem es mich stets zieht,
betrachte, wie sie schimmernd ihre Bahn,
durch zwei azurgetönte Welten sieht,
gleich einem silberhell geschmückten Schwan.

Mal birgt sie ihr Gesicht in leichtem Hauch,
der Wellen trübt wie eine Menschenstirn
das Grübeln; dann verschwindet Dunst wie Rauch,
erstrahlt sie wie das leuchtendste Gestirn.

Ihr Schein verzaubert silbern dann die Flut
zum Spiegelglanz, in dem ihr Antlitz ruht.

 

 

 

Dante Gabriel Rossetti 1828 - 1882

 

A Sonnet is a moment’s monument,--
Memorial from the Soul’s eternity
To one dead deathless hour. Look that it be
Whether for lustral rite or dire portent,

Of its own arduous fullness reverent:
Carve it in ivory or in ebony
As Day or Night shall rule; and let Time see
Its flowering crest impearled and orient.

A Sonnet is a coin: its face reveals
The soul,-- its converse, to what Power ’tis due,--
Whether for tribute to the august appeals

Of life, or dower in Love’s high retinue
It serve, or mid the dark wharf’s cavernous breath
In Charon’s palm it pay the toll to Death.

 

 

 

 

Ü: Sibylle Ferner

 

 

Sonett – des Augenblickes Monument –
ein Denkmal aus der Seele Ewigkeit,
ob Lustrum, ob dem Schicksalsgott geweiht,
erlosch’ner Stunde Feuer ewig brennt.


Sieh, dass es seine eigne Fülle kennt:
in Elfenbein, in Ebenholz es schneid’,
von Tag und Nacht bestimmt; zeig’ es der Zeit
mit Blumenkranz und Perlenornament.

Sonett – auch eine Münze, welche kundet
vom Herzen, – ihr Revers, wem sie gebührt: -
Tribut für eine Lebensschuld gestundet,


am Hof als Liebesgabe vorgeführt,
in Finsternis am Styx dann offenbart
in Charons Hand als Maut zur Überfahrt.